Künstliche Intelligenz (KI)

Übersetzen bedeutet nicht, Textmaterial zu generieren.
Es bedeutet nicht, ein Produkt zu liefern.
Es bedeutet nicht, zu verflachen – es bedeutet, zu entfalten, in einen Kontext eingebettet zu lesen, dialektisch vorzugehen, Verbindungen zu schaffen und jeden Tag mit dem Anderssein zu arbeiten.
Übersetzen bedeutet, dass Raum vorhanden ist, um zu zweifeln, zu suchen, sich heranzutasten. Es bedeutet, auf Verästelungen zu achten, sich am Unfertigen zu freuen.
Übersetzen bedeutet, nach den richtigen Worten zu suchen. Empathisch zu sein. Genauigkeit anzustreben. Sich selbst ständig in Frage zu stellen.

Der Glaube, dass literarische Übersetzung ohne kreative, reflexive, menschliche Komponente auskomme, gefährdet nicht nur einen Beruf, sondern droht auch, eine spürbare Verarmung der Sprache herbeizuführen. Es könnten Texte salonfähig werden, für die niemand mehr die Verantwortung trägt; die soziale Dimension und das zu jeder Übersetzung gehörende Vermitteln zwischen Personen könnten wegfallen; den Texten könnte das Denken abhandenkommen, mit der Folge, dass sich niemand mehr kritisch mit ihnen auseinandersetzt.

Allen derartigen Fantasien zum Trotz wird «künstliche Intelligenz» die Menschen beim Übersetzen nicht ersetzen. Sie ist de facto vollständig von ihnen abhängig – und zugleich beutet sie ihre Arbeit aus: Sie ernährt sich einerseits von der Arbeit der Autor*innen und Übersetzer*innen – für die, nebenbei bemerkt, heute weder Rechte eingeholt noch bezahlt werden, obwohl sie urheberrechtlich geschützt ist –, andererseits bringt sie nur dann passable Resultate hervor, wenn die maschinell erzeugte Übersetzung noch redigiert oder gar völlig umgeschrieben wird (Post-Editing). Eine Arbeit, mit der gern Übersetzer*innen beauftragt werden, doch für sie bedeutet die maschinelle Vorübersetzung keine Zeitersparnis: Da ihre eigene Erstfassung und damit ihre erste Interpretation wegfallen, sind sie mit zwei Ausgangstexten anstelle von einem konfrontiert (dem echten Ausgangstext und der maschinellen Vorübersetzung). Dadurch vervielfachen sich sowohl der kognitive Aufwand als auch das Risiko von Fehlern, Stereotypen und sprachlicher Uniformierung. So genutzte «künstliche Intelligenz» macht die Übersetzungsarbeit beschwerlicher, wird aber trotzdem als Argument benutzt, um Fristen zu verkürzen und den Preis zu drücken. Dazu kommen die erheblichen ökologischen und ethischen Kosten (der hohe Energieverbrauch für die Datenspeicherung und die oft ins Ausland verlagerte, unterbezahlte Datenarbeit), die die «künstliche Intelligenz» für die ganze Gesellschaft verursacht.

Der A*dS setzt sich für den Beruf des Übersetzens ein und für die Menschen, die ihn ausüben. Gestützt auf die Resultate seiner 2023 durchgeführten Studie zu Automatisierung in der Literaturübersetzung sowie auf die Erkenntnisse des 15. Symposiums für literarische Übersetzer*innen, das den Titel «Wunder auf Knopfdruck» trug, folgt der A*dS dem Dachverband CEATL, den Schwesternverbänden ATLF, ATLAS und VdÜ sowie dem Kollektiv «En chair et en os» und ruft dazu auf, sich für die Übersetzer*innen und ihren Beruf einzusetzen. «Künstliche Intelligenz» ist keine Alternative zum menschlichen Schaffen. Wir wollen nicht, dass das Knowhow, die emotionalen, intellektuellen und sinnlichen Erfahrungen von Übersetzer*innen und Leser*innen verloren gehen und die bereits sehr prekären Bedingungen, unter denen dieser Beruf heute ausgeübt wird, sich verschlechtern.

Aus diesen Gründen fordert der A*dS:

>> volle Transparenz in Bezug auf den Einsatz von «künstlicher Intelligenz» bei Übersetzungen; maschinell vorübersetzte Texte müssen als solche gekennzeichnet werden,
>> eine Bewilligungspflicht (Rechteabtretung) und Beteiligung an den Einkünften, wenn Übersetzungen zum Training generativer Programme eingesetzt werden,
>> eine klare staatliche Regulierungspolitik bezüglich «künstlicher Intelligenz» und Verzicht auf Subventionierung von «KI»-generierten Übersetzungen.

Der A*dS, Verband der Autorinnen und Autoren der Schweiz, fordert einen verantwortungsvollen, transparenten und regulierten Umgang mit sogenannter künstlicher Intelligenz (KI), zurzeit insbesondere:

  1. Eine Kennzeichnungspflicht von KI-generierten Texten, Übersetzungen, Audio- und Videowerken.
  2. Eine Offenlegung der von KI-Systemen verwendeten Trainingsdaten.
  3. Eine Beteiligung der Text-Urheber*innen am Ertrag von Schreib- und Übersetzungssoftware, soweit die Werknutzung überhaupt erlaubt ist.

Der A*dS setzt sich in Politik und Gesellschaft dafür ein, dass das geistige Eigentum der Autor*innen und Übersetzer*innen geschützt bleibt und dass für Nutzungen angemessene Vergütungen gezahlt werden. Bei Bedarf engagiert sich der Berufsverband für eine Verstärkung der Urheberrechte. Diese Forderungen richten sich an diejenigen Institutionen und Personen, die in der Schweiz auf die Autorenrechte und ihre Anwendung Einfluss nehmen können.