Resolution des A*dS zuhanden des Frauenstreiks vom 14. Juni 2019

Wir Mitglieder des A*dS, des Verbands der Autor*innen und Übersetzer*innen der Schweiz, versammelt an der Generalversammlung am 30. Mai 2019 in Solothurn, unterstützen den Frauenstreik vom 14. Juni 2019, der am 2. Juni 2018 Westschweizer Frauentreffen lanciert wurde und vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund und von Travail.Suisse unterstützt wird.

Diskriminierungen und ungleiche Behandlung der Frauen bestehen immer noch – trotz einem 1981 verabschiedeten Verfassungsartikel und einem 1996 in Kraft getretenen Gleichstellungsgesetz.

Wir verlangen von den Behörden Begleitmassnahmen, um die seit 1981 in der Verfassung verankerte allgemeine Gleichstellung zu gewährleisten, besonders für Frauen, die alltägliche soziale Verantwortung für andere übernehmen, zum Beispiel als Mütter. Die Arbeit der weiblichen Kulturschaffenden gehört aufgewertet, und es braucht eine breite und offene Information zum Thema geschlechterspezifische Diskriminierung in allen kulturellen Bereichen und öffentlichen Institutionen.

Solothurn, 30. Mai 2019



Begründung


Laut dem BFS sind die sogenannten ‹nicht erklärten› Lohnunterschiede sogar noch grösser geworden: 2014 waren es durchschnittlich 585 CHF, 2016 dagegen 657 CHF. Zwei Drittel der Hausarbeit und der Erziehungs- und Betreuungsaufgaben entfallen immer noch auf die Frauen. Frauen arbeiten viel mehr Teilzeit als Männer, was sich in tieferen Renten niederschlägt. Die von der Werbung und den Medien vermittelten Stereotypen üben immer noch einen entscheidenden Einfluss auf das Frauenbild aus.

Auch im kulturellen Bereich sind die Frauen verschiedensten Arten von geschlechterspezifischer Diskriminierung ausgesetzt, die ihnen den Zugang zu leitenden Positionen verwehren. Bei der Stiftung Pro Helvetia etwa hatte zwischen 1939 und 2018 nur zwei Mal eine Frau das Präsidium inne, neun Mal waren es Männer. Das Talent der Schriftstellerinnen wird weit weniger gewürdigt als das ihrer Kollegen: So wurde der Grosse Schillerpreis zwischen 1920 und 2012 ein einziges Mal einer Frau verliehen. Der Schillerpreis ging zwischen 1938 und 2012 nur 17 Mal an eine Schriftstellerin und 34 Mal an einen Schriftsteller. Diese Tatsache wirkte sich auch auf die Übersetzungen und die Verbreitung der Werke in den anderen Sprachräumen aus. Seit der Schaffung der Schweizer Literaturpreise hat sich die Lage geändert. Doch auch wenn heute verschiedene kulturelle Institutionen von Frauen geleitet werden, sind die strukturellen Machtverhältnisse gleich geblieben. Bei Le livre sur les quais in Morges, einer der wichtigsten Literaturveranstaltungen in der Romandie, waren 2018 155 Männer und nur 97 Frauen eingeladen.

Eine 2016 vom Verein Suisseculture Sociale durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass die Einkünfte der Autorinnen aus ihrer literarischen Tätigkeit immer noch tiefer sind als die ihrer männlichen Kollegen: Lediglich 8 % der an der Umfrage beteiligten Autorinnen verdienen mehr als 21 150 CHF (die BVG Eintrittsschwelle für die obligatorische berufliche Vorsorge), während es bei den Autoren 30 % sind. Auch in Bezug auf die Mutterschaft ist Gleichberechtigung kaum vorhanden, wird der Elternurlaub von den kulturellen Institutionen und Akteuren in den meisten Fällen nicht respektiert oder geringgeschätzt.