Neue Wege für den Service Public und den Kulturjournalismus

Seit den 2000er-Jahren befindet sich der Journalismus in einer tiefgreifenden Krise, die zunächst den Kultur- und Auslandjournalismus betraf, inzwischen jedoch den gesamten Mediensektor umfasst. Ökonomische, technologische und gesellschaftliche Herausforderungen prägen diesen umfassenden Wandel des Journalismus. Kreative Anpassungen und eine Rückbesinnung auf Qualität sind unerlässlich, um in der veränderten Medienlandschaft zu bestehen. Insbesondere sind jedoch neue Geschäftsmodelle gefragt.

Paul Steiger, ehemaliger Direktor des Wall Street Journal, betonte dies in einem Interview zum Medienwandel, das wir 2010 in der Redaktion von ProPublica in New York führten:
«Das goldene Zeitalter des Journalismus ist vorbei. Journalismus muss sich künftig an geringere Einnahmen, schlankere Strukturen und kleinere Redaktionen anpassen sowie eine gezieltere Leserschaft ansprechen.»

Ein Beispiel für Transformation und Anpassungsfähigkeit in der Presse liefert die Berliner Tageszeitung taz. Ab Herbst 2025 stellt sie ihre tägliche Printausgabe ein und wird nur noch eine Wochenendausgabe drucken. Die offizielle Ankündigung lautet:
«Seitenwende: Als erste überregionale Tageszeitung erscheint die taz ab dem 17. Oktober 2025 werktags rein digital und schafft damit neue Ressourcen für den taz-Journalismus. Unsere Wochenzeitung, die wochentaz, wird das zentrale Printprodukt des linken Medienhauses.»

Besonders betroffen von diesen Entwicklungen ist der Lokaljournalismus. Die USA haben seit 2005 fast ein Drittel ihrer Zeitungen verloren. In Europa nimmt die Medienkonzentration zu, während Vielfalt und Pluralismus abnehmen. Fehlende nachhaltige Geschäftsmodelle führen dazu, dass nur grosse Akteure überleben – diejenigen, die ihre Leserschaft und ihren Markt erweitern können. Ein Beispiel hierfür ist die Strategie der NZZ in Deutschland, die inzwischen eine Redaktion mit 14 Journalist*innen in Berlin aufgebaut hat. Gleichzeitig entstehen in der Schweiz auch neue digitale Produkte wie Republik, Heidi.news, Bajour oder das jüngste Projekt cültür, ein Online-Medium für den Kulturraum Schweiz. Jede dieser Stimmen zählt und stärkt den Pluralismus und die Vielfalt in unserem Land. Die Frage jedoch ist: Wie nachhaltig sind diese Medien?

Wir können und dürfen nicht auf starke öffentliche Medien verzichten – vor allem nicht in weltpolitisch angespannten Zeiten, wie sie derzeit herrschen. Der Medienwissenschaftler Victor Pickard, Professor für Medienpolitik und politische Ökonomie an der Annenberg School for Communication (Philadelphia), plädiert für mehr staatliche Investitionen in gemeinnützige und öffentliche Medien (The International Journal of Press/Politics | Timothy Neff and Victor Pickard, 2021). Pickard und andere Wissenschaftler*innen haben herausgefunden, dass öffentlich-rechtliche Medien eine vielfältigere Berichterstattung, ein grösseres Wissen der Öffentlichkeit über Politik und öffentliche Angelegenheiten sowie eine geringere Verbreitung extremistischer Ansichten fördern. Die Studie zeigt zudem, dass Länder mit unabhängigen und gut finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunksystemen durchweg stärkere Demokratien haben.

Ohne den öffentlichen Rundfunk würde die gesamte Schweizer Kulturszene sowie ihre Künstler*innen nicht nur eine bedeutende Plattform verlieren, sondern auch einen essenziellen Partner und Förderer. Dies führt uns zu einer zentralen Erkenntnis: Wir müssen am Service Public hierzulande festhalten. Die Zeiten haben sich verändert, und die Ressourcen sind knapper geworden. Wir sind herausgefordert etwas Neues aufzubauen, das zu unserer Zeit passt, technologische Innovationen nutzt und die veränderten Bedürfnisse des Publikums aufgreift. Wie Zwerge auf den Schultern von Riesen müssen wir sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft blicken.